Korruption blüht im Verborgenen. Ihre Besonderheit ist, dass es keine klassische Täter-Opfer-Beziehung gibt. Im Mittelpunkt stehen zwei Täter – ein Geber und ein Nehmer – die konspirativ zusammenwirken. Kriminologen sprechen von einer „opferlosen Tat“, aber Opfer gibt es dennoch. Opfer sind Unternehmen, die ihre Schädigung nicht oder sehr spät erst bemerken, oder Opfer ist die Allgemeinheit.
Korruption ist von außen kaum wahrnehmbar. Um Korruptionsdelikte aufzuklären, bedarf es daher vor allem gezielter Hinweise von Insidern, die eine irgendwie geartete „Nähebeziehung“ zu einem der Täter haben. Das können z. B. enge Mitarbeiter, Geschäftspartner oder auch Lebensgefährten sein. Diese Personen schweigen über Wahrnehmungen oft aus falsch verstandener Loyalität oder weil sie kein „Verräter“ oder „Nestbeschmutzer“ sein wollen. Vor allem aber schweigen sie, weil sie Angst vor Repressalien haben. Angst vor Mobbing, beruflichen Nachteilen bis hin zu Arbeitsplatzverlust oder Nötigung und Erpressung. Potentielle Hinweisgeber – im Amerikanischen whistleblower genannt – benötigen daher Vertraulichkeit und Schutz, wenn sie ermutigt werden sollen, Hinweise auf Korruption zu geben.
Anzeigen von Arbeitnehmern zu Korruptionsverdachtsfällen können mit der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht kollidieren, die sich aus dem allgemeinen Gebot zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen der anderen Vertragspartei ergibt (§ 241 Abs. 2 BGB). Tritt ein Hinweisgeber damit nach außen, ist dies in der Regel nur dann rechtmäßig, wenn die Anzeige keine unverhältnismäßige Reaktion auf ein Verhaltens des Arbeitgebers oder von Mitarbeitern des Unternehmens darstellt. Eine „Flucht in die Öffentlichkeit“ wird nur dann zulässig sein, wenn objektiv ein nachvollziehbarer Anfangsverdacht gegeben ist.
Einfacher liegen die Dinge für einen Hinweisgeber, wenn das Unternehmen für solche Fälle Meldewege anbietet und interne Ansprechpartner benennt. Das können Hotlines, Anti-Korruptionsbeauftragte, Complianceofficers oder Ombudsleute sein. Absolute Vertraulichkeit kann jedoch nur ein externer Rechtsanwalt (Ombudsperson) durch seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht, sein Zeugnisverweigerungsrecht und die eingeschränkten Möglichkeiten einer Beschlagnahme von Unterlagen gewährleisten. Da sich dieses Hinweisgebersystem als das erfolgreichste erwiesen hat, haben Firmen zunehmend Anwälte als Ombudsleute berufen.
An der Tatsache, dass es in der deutschen Sprache kein adäquates Wort für „whistleblowing“ gibt, kann man erkennen, dass wir auch keine Kultur des „positiven Verpfeifens“ haben. Wir kennen nur im negativen Sinne „Verpetzen“ und das verächtlich machende „Denunzieren“. Hinweisgeber (whistleblower) sind jedoch keine Denunzianten, wenn sie wahrheitsgemäß auf Verdachtsmomente für Straftaten oder gravierende Unregelmäßigkeiten aufmerksam machen. Sie handeln regelmäßig aus Gewissensgründen und bringen in einer Form von Zivilcourage unlautere Machenschaften ans Licht der Öffentlichkeit. Zugleich handeln sie loyal im Interesse des Unternehmens und seiner ehrlichen Mitarbeiter.
Im Gegensatz zu Großbritannien und Amerika, wo whistleblower vom Gesetz weitgehend geschützt werden, gibt es solchen Schutz für Hinweisgeber in Deutschland nicht. Sie müssen unter Umständen mit arbeitsrechtlichen Sanktionen und Schadensersatzansprüchen rechnen. Daneben drohen ihnen Repressalien bis hin zu kriminellen Angriffen. Daher ist es für einen Hinweisgeber wichtig, dass er sich vertraulich an eine Ombudsperson wenden kann, der als Rechtsanwalt der Verschwiegenheitspflicht unterliegt. Aufgabe der Ombudsperson ist es, solche Hinweise entgegenzunehmen, den Hinweisgeber zu beraten und – soweit dieser zustimmt – den verdächtigen Sachverhalt anonymisiert, d. h. ohne den Namen des Hinweisgebers preiszugeben, an das geschädigte Unternehmen weiterzuleiten. Dabei spielt der Schutz des Hinweisgebers eine zentrale Rolle. Durch einen neuen § 612 a BGB ist beabsichtigt, die rechtliche Stellung von Whistleblowern zu verbessern.
Siehe auch Erstinformation für Hinweisgeber.
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