Für viele Unternehmen besteht nun akuter Handlungsbedarf, nachdem das Hinweisgeberschutzgesetz seit dem 02. Juli 2023 in Kraft ist.
Seit diesem Tage müssen Unternehmen ab 250 Mitarbeitern eine Meldestelle für Hinweisgeber (Whistleblower) eingerichtet haben (§ 12 HinSchG) und sie mit fachkundigem Personal besetzen. Außerdem müssen sie den weiteren Anforderungen des Gesetzes entsprechen, insbesondere Meldekanäle betreiben (§ 16 HinSchG), die Verfahren führen
(§ 17 HinSchG) und nach Eingang entsprechender Hinweise Folgemaßnahmen ergreifen (§ 18 HinSchG), d. h. Aufklärung und Internal Investigations.
Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt eine „Schonfrist“ zur Umsetzung bis Anfang Dezember 2023.
Ausgenommen von der Verpflichtung zur Einrichtung einer Meldestelle sind Unternehmen, die eine anwaltliche Ombudsperson mandatiert haben. Ombudspersonen gelten als „Dritte“ im Sinne des Gesetzes (§ 14 HinSchG). Diese Vorschrift ermöglicht es auch eine zentrale Meldestelle in einem Konzern einzurichten. Der deutsche Gesetzgeber weicht damit bewusst von der Auffassung der EU-Kommission ab. Aber Achtung: Viele Länder der EU akzeptieren eine zentrale Regelung nicht. Wer Tochterunternehmen in solchen Ländern hat, benötigt eine weitere Stelle, z. B. eine anwaltliche Ombudsperson.
Durch den Vermittlungsausschuss hat es gegenüber dem Regierungsentwurf noch einige Änderungen gegeben. Die Wesentlichsten sind:
Beschränkung auf den beruflichen Kontext
Informationen über Verstöße fallen nur noch in den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber der hinweisgebenden Person beziehen. Damit fallen Hinweisgeber, die „Dritte“ sind, nicht mehr in den Schutzbereich des Gesetzes, also z. B. hinweisgebende Geschäftspartner.
Anonyme Meldungen
Es entfällt die Pflicht, die Abgabe anonymer Meldungen und die Kommunikation mit anonymen Hinweisgeber zu ermöglichen. Das Gesetz spricht jetzt nur noch davon, dass auch anonyme Meldungen bearbeitet werden sollen. Damit verschwinden hoffentlich die wiederholt publizierten (und bisher schon unzutreffenden) Behauptungen, Unternehmen müssten infolge des Hinweisgeberschutzgesetzes zwingend ein elektronisches Meldesystem einrichten. Bitte interpretieren Sie den Gesetzestext so, dass anonyme Hinweise stets zu bearbeiten sind. Es wäre unseres Erachtens ein handwerklicher Fehler und nicht praxisgerecht diese nicht zu tun.
Bevorzugung interner Meldestellen
Das Gesetz enthält nunmehr die Regelung, wonach hinweisgebende Personen in Fällen, in denen intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien zu befürchten haben, die Meldung an eine interne Stelle bevorzugen sollten. Es darf bezweifelt werden, dass diese recht lebensfremde Regelung das Verhalten von Hinweisgebern nennenswert beeinflussen wird.
Beweislastumkehr nur, wenn Berufung auf Benachteiligung
Das Gesetz sieht weiterhin eine Beweislastumkehr vor, wenn die hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet. Die Vermutung, dass die Benachteiligung eine Repressalie im Zusammenhang mit dem Hinweis ist, soll jedoch nur dann bestehen, wenn die hinweisgebende Person sich darauf beruft.
Absenkung der Bußgeldhöhe und der Karenzzeit
Schließlich beträgt nach der Endfassung des Gesetzes die maximale Höhe der für Verstöße gegen das Gesetz angedrohten Bußgelder nicht mehr 100.000 Euro, sondern nur noch 50.000 Euro. Die Bußgeldandrohung gilt erst sechs Monate nach Veröffentlichung des Gesetzes, also ab 03. Dezember 2023.
Empfehlungen:
- Viele kleine und mittelständische Unternehmen werden überfordert sein, eine qualifizierte Meldestelle einzurichten und mit „Bordmitteln“ den weiteren Anforderungen des Gesetzes gerecht zu werden. Sie sollten sich beraten lassen, welche Lösung für sie sinnvoll ist.
- Der Erwerb eines elektronischen Meldesystems ist keine sinnvolle Lösung, wenn im Unternehmen nicht die erforderlichen personellen und organisatorischen Ressourcen gegeben sind, um eingehende Hinweise unter Beachtung arbeitsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Vorschriften zu bearbeiten und Folgemaßnahmen professionell zu ergreifen. Dagegen kann es sinnvoll sein, wenn ein elektronisches System zu einer Meldestelle und Personen, die Hinweise entgegennehmen, als weiterer Meldekanal hinzutritt.
- Vor dem Hintergrund komplexer gewordener Vorgaben durch Hinweisgeberschutzgesetz und Lieferkettengesetz werden anwaltliche Ombudspersonen oft die ökonomischste und fachlich sinnvollste Lösung sein, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen. Dabei kann überlegt werden, Ombudspersonen und elektronische Meldewege zu kombinieren.
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