Das Landgericht München I und das Landgericht Regensburg müssen jeweils in einem Verfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern über die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung neu entscheiden. Der Bundesgerichtshof hat die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung in den betreffenden Verfahren wegen fehlerhafter Gefährlichkeitsprognosen am 19.02.2013 aufgehoben.
Erstes Verfahren
Das Landgericht München I hatte einen 64jährigen Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in Tatmehrheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht abgesehen. Der bereits vielfach wegen Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern vorbestrafte Angeklagte missbrauchte eine damals Vierjährige während einer Schlauchbootfahrt. Das Mädchen bestieg mit Erlaubnis ihrer Mutter das Boot. Die Geschädigte musste dass erigierte Glied umfassen und manipulieren. Zum Tatzeitpunkt stand der Angeklagte wegen vorausgegangener Sexualstraftaten unter Führungsaufsicht und dem Verbot sich erfahrungsgemäß von Kindern frequentierten Orten zu nähern.
LG München I: „Keine Gefahr“ für Begehung schwerer Sexualdelikte
Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hat das Landgericht damit begründet, dass bei dem Angeklagten zwar ein Hang bestehe, Sexualstraftaten gegen Kinder zu begehen, und dass von ihm auch in Zukunft weitere derartige Taten zu erwarten seien. Eine hochgradige Gefahr bestehe jedoch nur für weniger schwere, der verfahrensgegenständlichen Tat vergleichbare Sexualdelikte. Die Gefahr schwerer Sexualdelikte sei bei dem Angeklagten deutlich geringer ausgeprägt. Auf die wirksam auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat der BGH das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Umfang der Anfechtung aufgehoben. Die Nichtanordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung habe aufgrund eines fehlerhaften Maßstabes, den das Landgericht der Beurteilung der Gefährlichkeit zugrunde gelegt habe, der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten.
Zweites Verfahren
Das Landgericht Regensburg hatte einen 49 Jahre alten Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs und wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in einer Vielzahl von Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von fünf Jahren und neun Monaten beziehungsweise drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Unter den Geschädigten waren sechs bis sieben Jahre alte Mädchen, an denen er sich unter anderem durch vaginalen Geschlechtsverkehr verging und Analverkehr versuchte. Das Landgericht sah zwar die formellen Voraussetzungen zur Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB a.F. als erfüllt an und stellte einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Taten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 a.F. StGB fest. Es hat trotz der für erheblich eingeordneten Anlasstaten und einer vom Sachverständigen festgestellten deutlich erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit die Anordnung der Maßregel nicht für geboten erachtet, da sich die Gefährlichkeit des Angeklagten durch verschiedene Umstände relativiere.
Lückenhafte Gefährlichkeitsprognose
Der BGH hat nunmehr die gegen das Urteil eingelegte Revision des Angeklagten verworfen und auf die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil des Landgerichts mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist. Die vom Landgericht zugrunde gelegte Gefährlichkeitsprognose sei lückenhaft gewesen und beruhte auf einem unzutreffenden Maßstab. Auch dieses Urteil ist damit im Schuld- und Strafausspruch rechtskräftig, sodass nun nur noch über die Frage der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erneut zu entscheiden ist.
BGH, Urteil vom 19.02.2013 – 1 StR 465/12; 1 StR 275/12; (Az.: 1 StR 465/12 und 1 StR 275/12).
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