Der BGH und die Rollings Stones – Satisfaction?

BGH, Urteil vom 31.8.2023 – 5 StR 447/22

Am 9. September 2017 fand im Stadtpark in Hamburg ein Konzert der Rolling Stones statt. Die Verhandlungen über die Durchführung des Konzerts führten auf Seiten der Stadt die Bezirksamtsleiter R und O, während der Geschäftsführer K und der Projektleiter W als Vertreter des Veranstalters agierten. Im April 2017 einigte man sich auf ein Basisentgelt von 200.000 Euro für die Nutzung des Stadtparks, das abhängig von der Ticketanzahl steigen sollte. R äußerte den Wunsch nach Freikarten für das Bezirksamt, mit der Absicht, diese an Mitarbeiter zu verteilen, obwohl er wusste, dass ihm dies nicht zustand.

Im Laufe der Verhandlungen wurde die Anzahl der Freikarten sowie die Regelungen dazu in einigen Dokumenten festgehalten, jedoch später wieder entfernt. Am 11. Mai 2017 einigten sich die Angeklagten auf 300 Kartenoptionen und 100 Freikarten. O verfasste ein Schreiben, in dem er diese Freikarten als „Spende“ deklariert, wohl wissend, dass der tatsächliche Wert höher war und dass er die gegebene Zuwendung nicht ordnungsgemäß hätte anzeigen müssen. R verteilte die Freikarten an Mitarbeiter des Bezirksamts und nutzte selbst vier Karten.

Zusätzlich erhielt R eine Einladung zu einem Empfang am Abend des Konzerts, zu dem auch Premium-Karten gehörten, die er annahm. Der Vertrag zur Nutzung des Stadtparks wurde am 5. September 2017 unterzeichnet und enthielt keine schriftlichen Regelungen zu den Freikarten.

Das Landgericht Hamburg stellte fest, dass R sich wegen Vorteilsannahme (§ 331 StGB) strafbar machte, jedoch nicht wegen Bestechlichkeit, da das Nutzungsentgelt angemessen war und die Vorteile diesen nicht sachwidrig beeinflusst hatten. Die interne Verteilung der Freikarten wurde als Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) bestraft. Die Annahme der Premium-Karten galt nicht als strafbar, da sie zu den Dienstpflichten von R gehörte.

O wurde ebenfalls wegen Vorteilsannahme verurteilt und darüber hinaus wegen der Erstellung des rückdatierten Schreibens als Beihilfe zur Vorteilsannahme und -gewährung. K und W wurden freigesprochen, da ihnen der Nachweis von Vorsatz und Kenntnis bezüglich der internen Verwendung der Karten nicht gelang.

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts Hamburg auf und kritisierte insbesondere, dass es an einer klaren und nachvollziehbaren Darstellung fehle, wie die Tatsachen hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Tat durch das Landgericht festgelegt wurden.

Strafbarkeit des R:

    • Vorteilsannahme (§ 331 StGB): Der BGH bemängelte, dass das Landgericht nicht hinreichend darlegte, ob die Freikarten und Kartenoptionen tatsächliche Vorteile für die Dienstausübung von R darstellten. Unklar blieb, ob die Zuwendungen für R persönlich oder für die Stadt bestimmt waren, was für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung ist.
    • Vorteilsgewährung (§ 333 StGB): Das Landgericht konnte nicht nachweisen, dass ein adäquates Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen dem Vorteil und der Dienstausübung von R vorlag, da die Verteilung der Freikarten ausschließlich innerhalb der Behörde stattfand und daher ein Anschein einer Beeinflussung amtlicher Entscheidungen nicht gegeben war.
    • Untreue (§ 266 StGB): Der BGH stellte fest, dass möglicherweise Untreue vorlag, da unklar war, ob R die Karten nach eigenem Ermessen verteilt hätte, wenn sie der Stadt zugestanden hätten.
    • Bestechlichkeit (§ 332 StGB): Auch den Freispruch zur Bestechlichkeit griff der BGH an, da das Landgericht nicht ausreichend berücksichtigte, dass R möglicherweise bei der Festsetzung des Nutzungsentgelts von den zugesagten Freikarten beeinflusst wurde.

    Strafbarkeit des O:

      • O könnte sich durch die Annahme der Freikarten strafbar gemacht haben. Zustehen die Karten der Stadt und R hätte sie veruntreut, könnte O sich ebenfalls strafbar gemacht haben. Der BGH stellte fest, dass die Verurteilung O’s infolge der Aufhebung der Haupttaten R’s keinen Bestand haben könne, wies jedoch darauf hin, dass das Landgericht prüfen sollte, ob das rückdatierte Genehmigungsschreiben eine Beihilfe zur Untreue R’s darstellt.

      Strafbarkeit von K und W:

        • Die Freisprüche von K und W könnten auch aufgehoben werden, da die objektiven Tatsachen und die damit verbundene rechtliche Bewertung unklar geblieben seien, sodass der Vorsatz der Angeklagten nicht überprüfbar war.

        Insgesamt kritisierte der BGH die fehlenden klaren Feststellungen und die unzureichende Begründung des Landgerichts, was letztlich zu Unsicherheiten in der Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Angeklagten führte. Nun muss das Landgericht Hamburg erneut entscheiden. Es bleibt spannend.

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