LG Berlin I 27.02.2024, LG Berlin I, Beschl. v. 27.2.2024 – 545 Qs 1/24
Der Beschluss des Landgerichts Berlin I vom 27. Februar 2024 behandelt grundlegende Fragen der Durchsuchung und Beschlagnahme im Ermittlungsverfahren. Insbesondere behandelt die Entscheidung die Anforderungen an mündlich ergangene Durchsuchungsanordnungen, die Dokumentationspflichten der Entscheidungsgründe und die Notwendigkeit eines Anfangsverdachts.
I. Verfahrensverlauf
Die Beschwerde basiert auf der Durchführung einer Durchsuchung durch die gemeinsame Ermittlungsgruppe Zigaretten der Polizei und des LKA am 5. September 2023, die den Lagerraum des Beschwerdeführers betraf. Das Vorgehen wurde durch einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der fernmündlich beim Ermittlungsrichter eingebracht wurde, unterstützt. Die Durchsuchung ergab das Auffinden von unversteuertem Wasserpfeifentabak.
II. Entscheidung zur Durchsuchung
1. Formelle Mängel bei der Durchsuchungsanordnung
Das Gericht stellte fest, dass der Durchsuchungsbeschluss nicht die erforderlichen formalen Anforderungen erfüllte. Zwar gibt es keine gesetzlichen Formvorgaben, jedoch ist in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass Durchsuchungsanordnungen grundsätzlich schriftlich ergehen müssen. In Eilfällen kann eine mündliche Anordnung zulässig sein; jedoch war hier keine Eilbedürftigkeit gegeben.
2. Dokumentationspflichten
Ein weiterer Kritikpunkt war die mangelhafte Dokumentation der mündlichen Anordnung. Wenn eine Durchsuchung mündlich angeordnet wird, muss dies zeitnah in den Ermittlungsakten dokumentiert werden, einschließlich der Begründung für die Eilmaßnahme. Die Kammer wies zu Recht darauf hin, dass die fehlenden Dokumentationen die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung beeinträchtigen.
3. Fehlender Anfangsverdacht
Das Gericht stellte zudem fest, dass der erforderliche Anfangsverdacht für die Durchsuchung nicht gegeben war. Die verfügbaren Indizien, wie der Geruch von Wasserpfeifentabak und vorherige Ermittlungen, reichten nicht aus, um einen Verdacht zu begründen. Der Gedanke, dass zusätzliche Informationen, die erst im Beschwerdeverfahren aktenkundig wurden, nachträglich berücksichtigt werden könnten, widerspricht dem Grundsatz der Aktenwahrheit.
III. Entscheidung zur Beschlagnahme
Trotz der festgestellten Mängel an der Durchsuchungsanordnung entschied die Kammer, dass kein Beweisverwertungsverbot für die beschlagnahmten Beweismittel vorliege.
1. Beweisverwertungsverbote
Ein Beweisverwertungsverbot aufgrund einer rechtswidrigen Durchsuchung ist nicht immer gegeben. Stattdessen muss im Einzelfall abgewogen werden, ob ein Verfahrensfehler schwerwiegend genug ist, um die Nutzung der Beweise im Strafverfahren zu untersagen. Die Kammer erkannte, dass zwar die Durchsuchung rechtlich fehlerhaft war, jedoch keine schweren Verstöße vorlagen, die eine unzulässige Beweisverwertung rechtfertigen würden.
2. Hypothetischer Ersatzeingriff
Die Kammer verwies auf hypothetische Ersatzeingriffe und stellte klar, dass der Beginn eines hypothetischen Ersatzeingriffs nicht darauf basieren kann, was den Ermittlungsbehörden nachträglich bekannt wurde. Vielmehr ist entscheidend, welche Informationen zum Zeitpunkt der Durchsuchung in der Akte dokumentiert waren.
3. Verantwortlichkeit der Staatsanwaltschaft
Das Landgericht Berlin betonte, dass die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ für die ordnungsgemäße Dokumentation und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verantwortlich ist. Mängel in der Aktenführung dürfen nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen.
Benötigen Sie eine Rechtsberatung?
Wir beraten und vertreten Privatpersonen und Unternehmen in Ermittlungsverfahren und Strafverfahren bundesweit und vor allen Gerichten. Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung und unserer Kompetenz in Sachen Strafverteidigung.