AG Kiel, Beschluss vom 25.12.2024 – 313 Gs 8/24
Zusammenfassung der Gründe: Der Haftbefehl wurde aufgehoben, da die gesetzlichen Anforderungen an eine Vernehmung gemäß § 115 Abs. 2, 3 StPO nicht erfüllt waren. Der Haftrichter ist verpflichtet, den Beschuldigten umfassend über den Gegenstand der Beschuldigung zu informieren und ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern sowie die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften. Diese Informationspflicht geht über die reine Mitteilung des Haftbefehls hinaus und schließt die Offenlegung sämtlicher Beweismittel und relevanter Tatsachen ein, die den Haftgrund stützen.
Sachverhalt und Würdigung: Der Haftbefehl, erlassen durch das AG Plön, bezog sich auf A, die beschuldigt wurde, am 25.05.2024 Tonie-Figuren im Wert von 592,65 EUR gestohlen zu haben. Bei dem Versuch, das Geschäft zu verlassen, kam es zu einem Gerangel mit einer Zeugin, wodurch die Situation eskalierte. Der Vorwurf lautete auf räuberischen Diebstahl gemäß §§ 252, 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 StGB.
Die Frage des Gewaltbegriffs gemäß § 252 StGB wurde erörtert. Der Begriff „Gerangel“ war im Haftbefehl nicht ausreichend definiert, um Gewalt zu belegen, wodurch der Verdacht nicht ohne Akteneinsicht umfassend beurteilt werden konnte.
Das Gericht stellte fest, dass es aufgrund der Abwesenheit der Akten nicht in der Lage war, die erforderliche Akteneinsicht zu gewähren. Nach einer telefonischen Auskunft lag die Verfahrensakte nicht im AG Kiel vor, sondern beim AG Plön, was eine Einsichtnahme vor dem bevorstehenden Feiertag unmöglich machte. Diese Situation hinderte den Richter daran, die Vorwürfe und die Verhältnismäßigkeit des Haftbefehls zu prüfen, insbesondere in Bezug auf die Anwendung von Gewalt im Sinne von § 252 StGB.
Es wurde festgestellt, dass der Bereitschaftsrichter keine ausreichenden Gründe für eine Inhaftierung gemäß § 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO benannte, da die Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Bei der Beurteilung der Rechtsordnung muss jede Tat eine gewisse Schwere aufweisen, was in diesem Fall nicht gegeben war.
Während die Staatsanwaltschaft jederzeit einen neuen Haftbefehl beantragen kann, stellt eine fehlerhafte Anordnung ohne Akteneinsicht einen unverzeihlichen Verstoß gegen die Grundrechte dar, welcher nicht korrigiert werden kann, außer für zukünftige Verfahren. Es besteht eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Wiederholung der Anhörung und eine erneute Entscheidung über die Haftfrage.
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