Frank Wehrheim, einer der erfahrensten Steuerfahnder Deutschlands packt aus und verrät seine besten Tricks.
Sie sind verschwiegen wie Ärzte, konspirativ wie Agenten und akribisch wie, nun ja, wie deutsche Finanzbeamte eben. Steuerfahnder verstehen sich als Elite des Fiskus, als Speerspitze der Geldeintreiber. Und weil es kaum etwas Geheimeres gibt in Deutschland als die Frage, wer wie viel von seinem Geld abgeben muss, ist es alles andere als leicht, mit ihnen zu reden. Es sei denn, sie sind pensioniert, dann ruft man sie einfach an.
„Wehrheim“, sagt Frank Wehrheim mit leiser Stimme und leichtem hessischen Zungenschlag. Der 63-Jährige war einer der unerschrockensten Steuerfahnder Deutschlands, dessen Auftritt im Februar 1996 im Kreise seiner ehemaligen Kollegen unvergessen ist. Damals marschierte er mit Dutzenden Beamten in die Zentrale der Commerzbank und einer der Manager – so geht die Legende – blaffte den Trupp an, dass er abends mit dem Bundeskanzler essen werde. „Dann richten Sie ihm mal schöne Grüße von der Steuerfahndung aus“, antwortete ein unbeeindruckter Ermittler.
Seinerzeit waren es die deutschen Banken, die das Geld der Bundesbürger vor dem Fiskus in Sicherheit brachten. Über „Pipelinekonten“ flossen die Vermögen über die Landesgrenzen. Ein Konzern, dem Wehrheim und Kollegen schließlich auf die Schliche kam, hatte Hunderte Millionen Mark an Steuern hinterzogen. Dank der Fahnder strömten aber schließlich sogar 1,2 Milliarden Mark zurück in die Staatskassen. „Eine schöne Zeit“, sagt Wehrheim, der in seinem Buch „Inside Steuerfahndung“ aus der abgeschotteten Welt der Fiskal-Ermittler erzählt.
Bis zu 150 Milliarden unversteuerte Euro in der Schweiz?
Heute stehen die Schweizer Banken im Fokus der Öffentlichkeit. Allein in dem aktuellen UBS-Verfahren der Staatsanwaltschaft Bochum wollen die nordrhein-westfälischen Beamten 204 Millionen Euro Schwarzgeld ausgemacht haben, versteckt in Hunderten Stiftungen in Liechtenstein. Die Deutsche Steuergewerkschaft schätzt sogar, dass die Deutschen bis zu 150 Milliarden unversteuerte Euro in dem Nachbarland verstecken. „Tja“, sagt Frank Wehrheim, „die Schweiz war schon immer ein Hort der Hinterzieher.“
Es ist die Abgeklärtheit des alten Hasen, der in fast 30 Dienstjahren als Fahnder in Frankfurt viel gelernt hat über die Durchschnittsdeutschen, über ihre Gier, ihre Abgefeimtheit und manchmal sogar über ihre Schizophrenie. „Es gab einen Sachgebietsleiter der Steuerfahndung, der sein Vermögen im Ausland gebunkert hatte“, erzählt Wehrheim. Ärzte und Metzger, Sportler und Gastwirte, Polizisten und Richter, Journalisten und Elektriker – „alle haben hinterzogen“.
Und genau das ist vielleicht Teil des Problems: Wenn jeder das Gefühl hat, er sei der letzte Doofe, weil er noch anständig seine Steuern zahlt, ist der Staat verloren. Man schaue nur nach Griechenland, wo inzwischen sogar Nonnen ihr Vermögen ins Ausland schaffen. In Deutschland sind es die etwa 2600 Steuerfahnder, die sich dem Exodus der Ersparnisse entgegenstemmen und in den vergangenen beiden Jahren dem Fiskus fast vier Milliarden Euro sicherten.
Ausschlaggebend dafür waren vorrangig die Datenträger aus der Schweiz, die vor allem nordrhein-westfälische Behörden angekauft hatten. Die Steuerfahndung im Westen der Republik gilt als besonders umtriebig, was Fachleute wie Wehrheim auch auf die Struktur der Verwaltung zurückführen. Die NRW-Fahndungsabteilungen sind keine Anhängsel der Finanzämter, sondern zehn autonome Behörden mit eigenen Leuten und Leitern. Vor allem der Chef der 70 Wuppertaler Fahnder, der Jurist Peter B., ist ein Star der Szene. Selbst der Datendieb Heinrich Kieber schwärmte von den Treffen mit den Ermittlern, sie seien „offen und cool“ gewesen: „Ich war perplex, wie gut sie sich vorbereitet hatten.“
Steuerfahnder als starker Arm des Gesetzes
Was aber macht einen exzellenten Steuerfahnder aus? Frank Wehrheim sagt: „Er muss denken wie ein Krimineller.“ Er müsse ein Jäger sein. Und doch seien seine früheren Kollegen keine finsteren Typen, keine humorlosen Vollstrecker, die im Morgengrauen mit hochgeschlagenen Kragen vor der Tür stünden und Unschuldige hopsnähmen. Viele Fahnder trügen am liebsten Jeans und Sweatshirts und erzählten sich zweideutige Witze, wenn sie mittags an Imbissbuden Bratwürste verdrückten – mehr Schimanski als James Bond.
Wie viele Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaften verstehen sich auch die Steuerfahnder als die guten Jungs, die dafür sorgen, dass der Staat bekommt, was des Staates ist. Damit Schulen gebaut werden können und Straßen, damit die Kanalisation funktioniert und die Feuerwehr ausrückt, wenn man sie braucht. Sie glauben nicht daran, dass es eine absolute Ehrlichkeit geben kann, aber sie wollen dazu beitragen, das größtmögliche Maß von Gerechtigkeit zu erreichen. Und dafür greifen sie zuweilen auch in die Trickkiste.
Frank Wehrheim, der sich nach hässlichen Auseinandersetzungen in der hessischen Finanzverwaltung frühpensionieren ließ und heute als Steuerberater arbeitet, erinnert sich gerne an die Sache mit den Pässen. Er habe bei Hausdurchsuchungen, bei denen keine Bankunterlagen gefunden werden konnten, irgendwann immer nach den Reisedokumenten gefragt. Schweifte dann der Blick zur Wand, wussten die Beamten: Da muss der Tresor sein. Und dort lagerten dann neben den Pässen zumeist auch die gesuchten Dokumente.
Überhaupt gebe es zwei Kardinalfehler aller Hinterzieher, sagt Wehrheim, und die seien: Geltungssucht und Dummheit. „Meistens treten sie gepaart auf.“ Gerade Männer neigten dazu, sich vor ihren Frauen, Freunden und Geliebten mit ihrer Cleverness in Steuerfragen zu brüsten. Ein neidischer Kumpel oder eine gehörnte Gattin seien dann nicht selten die entscheidenden Informanten der Steuerfahndung. „Wir können uns unsere Hinweisgeber nicht aussuchen“, sagt Wehrheim, „eines ist klar: Aus edlen Motiven handeln nur die wenigsten.“
Autor: Von Jörg Diehl, Düsseldorf
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