Einem Beschluss des Landgerichts Lübeck (Beschluss vom 11.01.2024, 6 KLs 12/12) liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Landgericht Lübeck verurteilte Herrn X 2013 wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, die seit dem 15. Januar 2014 rechtskräftig ist. In diesem Urteil wurde auch eine siebenmonatige Freiheitsstrafe aus einem Betrugsurteil des Amtsgerichts Hamburg berücksichtigt. Fünf der acht Taten wurden als besonders schwer eingestuft, und der insgesamt verursachte Steuerschaden belief sich auf rund eine Million Euro.
Der Verurteilte erhielt am 22. Februar 2014 die Aufforderung, seine Strafe anzutreten, wogegen er am 28. Februar 2014 einen Antrag auf Aufschub der Vollstreckung stellte, der jedoch abgelehnt wurde. Da er die Strafe nicht antrat, erließ die Staatsanwaltschaft Lübeck am 17. März 2014 einen Haftbefehl. Eine Überprüfung der Verbindungsdaten seines Ehepartners ergab, dass sich der Verurteilte seit dem 13. Mai 2014 in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) aufhielt.
Da kein Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und den VAE besteht, ersuchte die Staatsanwaltschaft Lübeck am 30. Juli 2015 um die Auslieferung des Verurteilten, was über die Deutsche Botschaft am 11. April 2016 formalisiert wurde.
Das Justizministerium der VAE wies am 6. Februar 2017 darauf hin, dass der Grundsatz der doppelten Strafbarkeit im Fall von Herrn X nicht erfüllt sei, da Steuerhinterziehung in den VAE nicht strafbar ist.
Am 18. Dezember 2017 zog die Staatsanwaltschaft Lübeck ihr Auslieferungsersuchen mit der Begründung zurück, dass sie keine Aussicht auf eine Bewilligung sehe.
Im Februar 2020 gab das Auswärtige Amt bekannt, dass der Verurteilte weiterhin in Dubai lebe, ihm aber aufgrund unerfüllter Verbindlichkeiten die Ausreise aus den VAE gerichtlich untersagt worden sei. Diese Schwierigkeiten resultierten aus der Ausstellung ungedeckter Schecks, zivilrechtlichen Forderungen und einem nicht bezahlten Bußgeld.
Am 15. März 2023 beantragte die Staatsanwaltschaft Lübeck die Verlängerung der Vollstreckungsverjährungsfrist um die Hälfte der gesetzlichen Frist. Der Verurteilte gab über seinen Anwalt an, dass er bereit sei, aus Dubai auszureisen und sich sofort dem Haftantritt zu stellen; die Ausreise scheitert jedoch aufgrund der verhängten Ausreisesperre.
Im Mai 2023 informierte das Bundesamt für Justiz darüber, dass in den VAE mittlerweile die Strafbarkeit von Steuerhinterziehung eingeführt wurde. Auf dieser Grundlage stellte die Staatsanwaltschaft Lübeck am 6. Juli 2023 ein neues Auslieferungsersuchen und bat um eine Rückmeldung bis Ende Oktober 2023, ob das Ersuchen bewilligt werde. Bislang steht eine Antwort des Bundesamtes für Justiz oder der VAE noch aus. Das Auswärtige Amt hat die Wiedervorlage auf den 20. Januar 2024 festgelegt.
Hinsichtlich des Antrages entschied das LG Lübeck wie folgt:
Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat die Verlängerung der Vollstreckungsverjährungsfrist um fünf Jahre beantragt, gemäß § 79b StGB. Diese Frist kann vor ihrem Ablauf um die Hälfte der gesetzlichen Verjährungsfrist verlängert werden, wenn sich der Verurteilte in einem Gebiet aufhält, aus dem eine Auslieferung nicht möglich ist.
Die aktuelle Verjährungsfrist läuft bis zum 14. Januar 2024 und beträgt zehn Jahre ab der Rechtskraft der Entscheidung am 15. Januar 2014. Da der Verurteilte sich in einem Gebiet ohne Auslieferungsabkommen (VAE) befindet, besteht kein Rechtsanspruch auf Auslieferung. Die Staatsanwaltschaft hat alle notwendigen Schritte unternommen, um den Strafantritt innerhalb der Verjährungsfrist zu erreichen.
Die Kammer sieht Anlass zur Verlängerung der Frist, besonders da sich die strafrechtlichen Rahmenbedingungen in Dubai geändert haben, was die Wahrscheinlichkeit einer Auslieferung erhöht. Das Interesse des Staates an der Verfolgung des Verurteilten, der Steuern in Höhe von rund einer Million Euro hinterzogen hat, bleibt bestehen.
Zusätzlich wird die Verlängerung durch das Verhalten des Verurteilten gerechtfertigt, der sich offenbar in die VAE zurückgezogen hat, um sich der Strafvollstreckung zu entziehen. Er hat bis zur verhängten Ausreisesperre keinen Versuch unternommen, sich der Strafvollstreckung in Deutschland zu stellen. Angesichts dieser Umstände beträgt die gesetzliche Verjährungsfrist insgesamt nun 15 Jahre.
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