Mit seinem Beschluss vom 3. August 2018 hat das Landgericht Hamburg Stellung zum Verhältnis des strafprozessualen Vermögensarrests zum dinglichen Arrest nach der Abgabenordnung (AO) genommen und die überzeugenden Argumente der Vorinstanz (AG Hamburg, 13. Juni 2018, Az. 167 Gs 578/18) zu Unrecht verworfen.
Hinter dem Ermittlungsverfahren steht der Verdacht einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Das Verfahren wird vom Finanzamt für Prüfdienste und Strafsachen geleitet. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, er habe unberechtigt Vorsteuerbeträge aus Rechnungen beansprucht, deren Aussteller als sogenannte Servicegesellschaften agierten. Diese Gesellschaften sollen keinerlei Geschäftstätigkeit ausgeübt, sondern lediglich Scheinrechnungen erstellt haben. Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, dem Finanzamt für den Zeitraum von 2013 bis 2015 insgesamt rund 45.000 EUR zu schulden.
Das Amtsgericht hatte die Anordnung eines Vermögensarrests abgelehnt. Auf die Beschwerde des Finanzamts ordnete das Landgericht jedoch an, den Vermögensarrest in das Vermögen des Beschuldigten anzuordnen. Das Gericht argumentierte, dass die vorsätzliche Begehung der Tat mit Scheinrechnungen auf eine erhebliche kriminelle Energie des Beschuldigten hindeute, was die Schlussfolgerung rechtfertige, dass er auch künftig versuchen werde, sich berechtigten Forderungen des Finanzamts zu entziehen.
Das Sicherungsbedürfnis sei nicht aufgrund der Möglichkeit eines Vorgehens nach § 324 AO ausgeschlossen. Dies werde sowohl durch § 111e Abs. 6 StPO als auch durch den Willen des Gesetzgebers bestätigt, die vorläufigen Sicherungsmöglichkeiten durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zu stärken. Zudem argumentierte das Gericht, dass die Verhältnismäßigkeit der Anordnung aus der konkreten Tatbegehung des Beschuldigten resultiere. Dieser stehe nicht nur im Verdacht einer „einfachen Steuerhinterziehung“, sondern habe über einen längeren Zeitraum systematisch Scheinrechnungen genutzt, um sein Vermögen signifikant zu mehren.
Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg adressiert ein bedeutendes Problem im strafprozessualen Steuerstrafrecht, das durch die Reform des strafrechtlichen Vermögensabschöpfungsgesetzes nicht gelöst wurde. Die Entscheidung wird als nicht überzeugend angesehen. Das Amtsgericht hatte den Antrag des Finanzamts auf Arrestanordnung zu Recht unter Berücksichtigung der Sicherungsmöglichkeiten nach § 324 AO abgelehnt.
Zudem wird darauf hingewiesen, dass § 111e Abs. 6 StPO nicht so interpretiert werden sollte, dass das Vorhandensein eigener Sicherungsmöglichkeiten des Finanzamts gemäß § 324 AO unberücksichtigt bleibt. Andernfalls würde die Regelung in § 111h Abs. 2 S. 2 StPO an Bedeutung verlieren. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass es sich beim Vollstreckungsprivileg des Steuerfiskus um eine bewusste gesetzgeberische Wertung handelt, die darauf abzielt, den Steuerfiskus schneller als andere Geschädigte zu sichern.
Die Literatur weist zu Recht darauf hin, dass ein Sicherungsbedürfnis nach § 111e Abs. 1 StPO entfällt, wenn der Steuerfiskus nach § 324 AO aktiv wird. Diese Wechselwirkung wird anerkannt, weshalb unklar bleibt, warum ein Arrest nach § 324 AO das Sicherungsbedürfnis entfallen lässt, während ein solches im vorliegenden Fall bestehen bleibt. Dies könnte als bewusste Umgehung der verschuldensunabhängigen Haftung gemäß § 945 ZPO zugunsten des Finanzamts interpretiert werden.
Des Weiteren wird kritisiert, dass das Gericht einen Arrestgrund lediglich auf die Vorwürfe der vermeintlichen Tatbegehung stützt, was nicht überzeugend ist. Der Vorsteuerabzug nach § 15 UStG setzt zwingend eine ordnungsgemäße Rechnung gemäß § 14 Abs. 4 UStG voraus. Wären die in den Rechnungen aufgeführten Leistungen tatsächlich erbracht worden, bestünde kein Verdacht einer Steuerstraftat.
Insgesamt könnte die Argumentation des LG Hamburg dazu führen, dass in jedem Ermittlungsverfahren, welches den Verdacht der unberechtigten Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen durch Scheinrechnungen betrifft, ein generelles Sicherungsbedürfnis angenommen wird. Der Gesetzgeber hat jedoch bedacht, dass in Fällen, in denen der Beschuldigte über ausreichendes Vermögen verfügt, kein Sicherungsbedürfnis gegeben ist. Pauschale Überlegungen zur vermeintlichen Tatbegehung können die notwendige sachverhaltsbezogene Darlegung von Sicherungsgründen nicht ersetzen.
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