EU-Whistleblower-Richtlinie: Praxistipps für Unternehmens-Entscheider (Teil 9)
Die Geschäftsleitung hat sich entschieden: Im Unternehmen soll zusätzlich zum bereits bestehenden Meldekanal noch ein weiterer Meldekanal für Hinweisgeber eingeführt werden: Es geht um den Einsatz einer Ombudsperson. Der Betriebsrat hat in diesem Fall kein Mitbestimmungsrecht. Das Management bindet ihn trotzdem ein. Warum dies äußerst sinnvoll ist und welche Vorteile beide Seiten von einer Zusammenarbeit in diesem Thema haben, erläutern Nadine Jacobi und ich in der heutigen Folge unserer gemeinsamen Blog-Serie zum Thema „Hinweisgeberschutz“.
(Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text auch das generische Maskulinum. Gemeint sind immer alle Geschlechter.)
Mehr als einmal haben wir in der Praxis erlebt, dass der Kampf gegen Wirtschaftskriminalität im Unternehmen unnötig erschwert wird, wenn die Compliance-Abteilung nicht frühzeitig den Dialog mit dem Betriebsrat sucht. Beispielsweise ist die Beauftragung einer Ombudsperson ein guter Anlass, die Kommunikation mit den Belegschaftsvertretern zu suchen. Dabei geht es z.B. um das erwähnte Meldesystem selbst, aber auch um die Rahmenbedingungen für möglicherweise erforderliche Interne Untersuchungen zur Aufklärung eines Sachverhaltes sowie die etwaige Sanktionierung von individuellem Fehlverhalten von Mitarbeitern. Aber der Reihe nach.
Überzeugen statt verhandeln
Oftmals beschränkt sich die Kommunikation mit dem Betriebsrat auf die Themen, die mitbestimmungspflichtig sind. Dazu gehören Betriebsvereinbarungen, beispielsweise zum Umgang mit Internen Untersuchungen auf Grundlage erhaltener Hinweise. Die Zustimmung des Betriebsrates ist jedoch nicht erforderlich, wenn das Unternehmen zu einem bestehenden Meldekanal eine Ombudsperson als zusätzlichen Meldekanal einrichtet. Dennoch ist es ratsam, auch hierzu frühzeitig den Kontakt zum Betriebsrat aufzunehmen. Dann gelingt es in der Regel, dem Betriebsrat die Vorteile eines wirksamen Meldesystems zu vermitteln, mit dem die Identität der Hinweisgeber wirksam geschützt wird. Wird die gewünschte Akzeptanz bei den Belegschaftsvertretern erzielt, werden sich diese auch gegenüber den Mitarbeitern für die Nutzung des Meldesystems aussprechen. Dann haben Management und Compliance-Abteilung von Beginn an mit dem Betriebsrat einen einflussreichen Unterstützer. Diese Unterstützung kann bis hin zur Sanktionierung einzelner „schwarzer Schafe“ reichen. Denn die können durch die Vornahme wirtschaftskrimineller Handlungen zum eigenen Vorteil ein ganzes Unternehmen in Schieflage bringen.
Hinweise auf sexuelle Belästigung und Rassismus: Hier bedarf es Professionalität und Empathie
Seit Beginn der weltweit vielbeachteten #MeToo-Bewegung haben sich Hinweise auf sexuelle Belästigung, aber auch Diskriminierung und Rassismus in vielen Unternehmen vermehrt. Dies stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Wir haben es schon mehrfach erlebt, dass bei Hinweisen mit Bezug zu solchen Themen gerne der Leiter Personal das Zepter übernimmt, hier die Befragung des Hinweisgebers und gleichzeitigen „Opfers“ – und dies nicht gerade in sensibler Art und Weise: Unnachgiebiges Nachfragen und Insistieren auf die Verursacherfrage sind oftmals Kennzeichen eines solchen Gesprächsstils, der ohne notwendige Empathie ganz sicher nicht zur Aufklärung des Vorgangs führt.
Haben Ihre Mitarbeiter auch Zugang zu einer weiblichen Ombudsperson?
Insbesondere eine potentielle Hinweisgeberin, aber auch männliche Hinweisgeber, können gehemmt sein, einen solchen Sachverhalt einer männlichen Ombudsperson anzuzeigen. Es empfiehlt sich daher zu ermöglichen, dass Frauen und Männer ihren Hinweis auf sexuelle Belästigung nicht gegenüber einem Mann, sondern einer Frau äußern können. Das Empfinden, wer der richtige und vertrauensvolle Ansprechpartner ist, ist sehr subjektiv. Fakt ist aber: Je besser sich der Hinweisgeber aufgehoben und verstanden fühlt, desto eher wird er oder sie motiviert sein, tatsächliche Missstände zu melden. Viele Unternehmen, die bisher ausschließlich mit einem Ombudsmann gearbeitet haben, sind daher dazu übergegangen, (auch) die Kontaktaufnahme zu einer Ombudsfrau zu ermöglichen.
Ein Fall für Spezialisten
Kommt es nach einem belastbaren Hinweis auf Fehlverhalten im #MeToo-Kontext zu einer Internen Untersuchung, sollte das Unternehmen hierfür ausschließlich entsprechend ausgebildete Experten einsetzen, die aufgrund ihrer speziellen Kompetenz meist von extern kommen. Sie sollten über Erfahrung und Know-how verfügen, die psychische Verfassung des Hinweisgebers einschätzen zu können, die angemessene Art der Interviewführung beherrschen und die in solchen Fällen anzuwendenden rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Anforderungen an die Beweissicherung kennen. Die Beauftragung der Internen Revision mit einer Untersuchung in diesem Kontext, kommt aus unserer Sicht nur dann in Frage, wenn sie über die genannten Kompetenzen verfügt.
Bei Niederlassungen im Ausland wird es komplizierter
Unternehmen mit Niederlassungen in verschiedenen Ländern müssen die Frage beantworten, in welchen Sprachen das Meldesystem für Hinweisgeber angelegt werden soll. Nur auf Deutsch? Englisch? Oder in allen vertretenen Landessprachen? Unsere Empfehlung ist eindeutig: Im Sinne der Akzeptanz des Meldesystems und der Behörden, die wegen eines gemeldeten Verstoßes möglicherweise ermitteln werden, sollte das Meldesystem in der jeweiligen Landessprache der Niederlassung zur Verfügung gestellt werden.
Diskutiert wird häufig auch die Frage, wie Hinweise bearbeitet werden, die in einer Tochtergesellschaft im Ausland eingegangen sind. Sollte zum Beispiel jeder Hinweis unmittelbar und vor einer ersten Überprüfung an die Muttergesellschaft weitergeleitet werden? (Diesem Thema hatten wir uns schon in dieser Blogserie gewidmet (Teil 5).
Am Ende geht nichts ohne die Muttergesellschaft
Unsere Empfehlung im oben beschriebenen Fall ist eindeutig: Hinweise sollten bei vorhandener Expertise und Kapazitäten zunächst lokal untersucht werden, gegebenenfalls mit Unterstützung hierauf spezialisierter Dienstleister. In jedem Fall aber sollte ein Bericht zur durchgeführten Sachverhaltsaufklärung inklusive Ergebnisse und einem Vorschlag für das weitere Vorgehen an die Muttergesellschaft weitergeleitet werden. Eine entsprechende Vorgabe der Konzernzentrale ist aus unserer Sicht unumgänglich, da wir in der Praxis leider schon zu oft erlebt haben, dass Sachverhalte innerhalb der Tochtergesellschaft „intern geklärt“ wurden, ohne die Muttergesellschaft zu informieren. Das kann dann dazu führen, dass identifiziertes Fehlverhalten nicht angemessen aufgeklärt, sanktioniert und langfristig abgestellt wird. Und/ oder wird der Muttergesellschaft dadurch die Möglichkeit genommen, regionale Herausforderungen oder Muster zu identifizieren, die möglicherweise auch in anderen Ländern und Entitäten eine Rolle spielen.
Erst die Betriebsvereinbarung dann die Interne Untersuchung
Auch hier gilt: Wenn es darauf ankommt, muss schnell gehandelt werden – und das ist nur dann möglich, wenn hilfreiche Abstimmungen vorher getroffen worden sind.
Das heißt, dass folgendes zu Internen Untersuchungen (sogenannte Internal Investigations) mit dem Betriebsrat idealerweise abgestimmt und mittels Betriebsvereinbarung geregelt sein sollte: die Voraussetzungen für die Einleitung einer Internen Untersuchung und der grundsätzliche Ablauf und die Vorgehensweise für die Durchführung. Alle weiteren operativen Details werden dann am besten in einer gesonderten Richtlinie geregelt.
Folgen Sie auch weiterhin unserem Blog. Im nächsten Teil geht es um das herausfordernde Thema Betriebsvereinbarungen zu Internal Investigations und das Dilemma der Sanktionen. An dieser Stelle! In zwei Wochen!
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