Vor allem Diebstahl, Betrug und Unterschlagung häufen sich in den Unternehmen. Anfällig sind nach Ansicht von Experten neben Menschen mit Job-Angst und Schulden auch Vertriebler, die trotz Wirtschaftskrise gleichbleibend hohe Absatzziele erfüllen müssten. Das mache anfällig für Korruption.
FRANKFURT. Die weltweite Wirtschaftskrise macht immer mehr Mitarbeiter zu Dieben und Betrügern. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Association of Certified Fraud Examiners, (ACFE), die dem Handelsblatt vorab vorliegt. Darin befragte der Verband mehr als 500 Wirtschaftsforensiker aus den USA zum Thema Mitarbeiterkriminalität in Zeiten der Krise. Bei der Hälfte der Befragten handelt es sich um externe Berater, bei der anderen Hälfte um festangestellte Sicherheitsexperten.
Übereinstimmend berichten die Ermittler von gestiegenen Fallzahlen seit Beginn der Finanzkrise, auch wenn das exakte Ausmaß des Anstiegs noch nicht zu quantifizieren sei. „Umfragen unter unseren deutschen Mitgliedern haben ähnliche Resultate ergeben“, sagt Bernd Hoffmann, Vorstand der deutschen ACFE-Sektion. Drei von vier der Befragten rechnen zudem mit einem weiteren Anstieg der Mitarbeiterstraftaten im laufenden Jahr.
Von steigenden Fallzahlen bei schwindender Mitarbeiterloyalität berichten auch die Sicherheitschefs deutscher Unternehmen und externe Ombudsleute. „Ich habe seit Krisenbeginn immer öfter Fälle von Betrug, Unterschlagung und Diebstahl auf meinem Schreibtisch“, berichtet der Sicherheitschef eines europäischen Einzelhandelskonzerns. „Viele, die wir erwischt haben, hatten Angst haben um ihren Job und wollten mitnehmen, was sie kriegen konnten.“ Immer häufiger flögen auch Lieferanten auf, die der Einkaufsabteilung Bares böten, falls sie bei der Auftragsvergabe bevorzugt würden. „Wir sind da durchaus kein Einzelfall“, sagt er, „das höre ich bundesweit von fast allen Kollegen.“ Auch bei Ombudsmann Rainer Buchert häufen sich branchenübergreifend seit Monaten Hinweise auf Mitarbeiterkriminalität. Der Frankfurter Jurist arbeitet mittlerweile im Auftrag von elf Unternehmen. Zu seinen Kunden zählen VW, Bertelsmann, Lufthansa, O2, der Ottoversand und die Supermarktkette Rewe.
„Wir werden in den kommenden Monaten eine Häufung bei so genannten Krisentätern haben“, prophezeit Hendrik Schneider von der Universität Leipzig. Bislang fällt erst jeder fünfte der von ihm untersuchten Täter in diese Kategorie. Der Strafrechtler erforscht seit Jahren, was Angestellte und Unternehmer zu Wirtschaftsstraftätern macht. Auslöser sind immer „biografische Wendepunkte“, die aus ehrbaren Bürgern ganz plötzlich Diebe und Betrüger machen. „So jemanden filtert man auch im Vorstellungsgespräch nicht raus“, sagt er. Denn im Gegensatz zu chronischen Wirtschaftskriminellen, die nur einen verschwindend geringen Prozentsatz der Täter stellen, sind spätere Krisentäter sozial angepasst und unauffällig.
Anfällig seien neben Menschen mit Job-Angst und Schulden auch Vertriebler, die trotz Wirtschaftskrise gleichbleibend hohe Absatzziele erfüllen müssten. Das mache anfällig für Korruption. Auch der Fall des Mittelständlers, dem Banken die Kredite kürzten und der deshalb die Bilanzen fälsche, um irgendwo doch noch Geld aufzutreiben, sei typisch für Krisentäter, sagt Schneider.
Gleichzeitig monieren Experten, dass Unternehmen in der Krise auch bei der Prävention sparten. „Da werden Stellen nicht neu besetzt und Budgets mal eben um zehn Prozent gekürzt“, schimpft ein Sicherheitschef. Für die Unternehmenskasse wird das unter Umständen teuer.
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