Anklageschrift (im Wirtschaftsstrafverfahren)

Anklageschrift (im Wirtschaftsstrafverfahren): Bedeutung und Verfahren

Die Anklageschrift nimmt im Wirtschaftsstrafverfahren eine zentrale Rolle ein. Sie ist das verbindliche Dokument, das die Vorwürfe gegen eine beschuldigte Person (hinsichtlich der Einziehung auch gegen die Gesellschaft) formalisiert und die rechtlichen Schritte einleitet. Im Kontext des Wirtschaftsstrafrechts, das unter anderem Delikte wie Betrug, Untreue, Insiderhandel oder Geldwäsche umfasst, ist die präzise Formulierung der Anklageschrift von entscheidender Bedeutung.

Definition und Zweck der Anklageschrift

Die Anklageschrift wird von der Staatsanwaltschaft verfasst und legt die wesentlichen Tatsachen und rechtlichen Grundlagen dar, die zur Strafbarkeit führen. Ihr Hauptzweck ist es, dem Gericht und dem Beschuldigten transparent darzulegen, welche konkreten Vorwürfe erhoben werden und auf welcher Grundlage diese basieren. Sie fungiert somit als Informations- und Entscheidungsgrundlage für das Gericht sowie für die Verteidigung. Sie bildet den Abschluss des Ermittlungsverfahrens.

Wesentliche Bestandteile einer Anklageschrift

Eine Anklageschrift im Wirtschaftsstrafverfahren sollte mehrere grundlegende Elemente enthalten:

  1. Konkrete Tatbeschreibung: Die Anklageschrift muss die tatsächlichen Umstände der vorgeworfenen Delikte detailliert schildern. Dies beinhaltet Angaben zu Zeitpunkt, Ort und Art der Straftaten sowie die beteiligten Personen oder Unternehmen.
  1. Beweismittel: Eine umfassende Auflistung der verfügbaren Beweise, wie Dokumente, E-Mails, Zeugenaussagen oder finanzielle Nachweise, die die Tatvorwürfe unterstützen.
  1. Rechtliche Qualifikation der Tat: Es ist entscheidend, dass die Anklageschrift präzise die relevanten Vorschriften des Strafgesetzbuches oder anderer relevanter Gesetze zitiert, die die strafbaren Handlungen definieren.
  1. Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens: Die Anklageschrift enthält mindestens einen formellen Antrag an das Gericht enthalten, das Hauptverfahren zu eröffnen, um den weiteren Verlauf des Verfahrens einzuleiten. Weitere mögliche Anträge sind: Die Beteiligung einer Einziehungsbeteiligten, Beiordnung eines Pflichtverteidigers und je nach Bundesland und Fall die Einziehung.

Umgrenzungsfunktion und Revision

Neben der offensichtlichen Funktion, die Vorwürfe gegen einen Beschuldigten formal darzulegen, erfüllt sie auch eine entscheidende Umgrenzungsfunktion. Diese Umgrenzungsfunktion ist von erheblicher Bedeutung für den Ablauf des Verfahrens sowie für die Rechte der beteiligten Parteien.

Die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift beschreibt die Fähigkeit, den Rahmen des Verfahrens klar zu definieren und zu beschränken. Dies betrifft sowohl die vorgeworfenen Taten als auch die rechtlichen Bewertungskriterien, die in der Anklageschrift formuliert sind. Eine präzise Anklageschrift stellt sicher, dass das Gericht und der Beschuldigte genau wissen, welche Aspekte zu betrachten sind und welche Beweismittel relevant sind.

Die wirksame Anklage (§ 200 StPO) und der ordnungsgemäße Eröffnungsbeschluss (§ 203 StPO) sind grundlegende Verfahrensvoraussetzungen im Strafprozess. Ein Fehler in der Anklage wirkt sich direkt auf den Eröffnungsbeschluss aus. Umgekehrt kann ein ordnungsgemäßer Anklagesatz dennoch formale Mängel im Eröffnungsbeschluss aufweisen. Bei der Revision ist zunächst die Anklage zu prüfen.

Es ist wichtig, zwischen der Informationsfunktion und der Umgrenzungsfunktion der Anklage zu unterscheiden. Nur Mängel, die die Umgrenzungsfunktion betreffen, führen zu einem Verfahrenshindernis. Die Umgrenzungsfunktion sorgt dafür, dass der Angeklagte und die ihm vorgeworfene Tat klar und unverwechselbar dargestellt sind, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und Doppelbestrafung zu vermeiden. Zudem muss der Beschuldigte genau wissen, wogegen er sich verteidigen soll.

Eine Anklage ist ausreichend umgrenzt, wenn der vollständige Tatvorwurf aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen hervorgeht. Mängel, die nur die Informationsfunktion betreffen, wie das Fehlen eines Tatbestandsmerkmals oder eine fehlerhafte Ausgliederung von Tatdetails, machen die Anklageschrift nicht unwirksam und führen somit nicht zu einem Verfahrenshindernis (Meyer-Goßner/Schmitt, § 200 Rn. 27).

 

Beispiel: Der Bundesgerichtshof hob in deisem Fall (BGH, Beschluss vom 09. September 2020 – 2 StR 291/20) ein Urteil auf, da die Tat nicht Bestandteil der Anklage war und dass eine Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO nicht eingereicht wurde. Diese Nachtragsanklage war erforderlich, um die unzureichende Anklage um die in der Hauptverhandlung festgestellten Tatsachen zu ergänzen. Zwar beschrieb die ursprüngliche Anklage in drei Fällen den Tatort sowie die Begehungsweise der Taten, jedoch fehlten die genauen Tatzeitpunkte. Um sicherzustellen, dass die in der Hauptverhandlung festgestellten Taten mit den in der Anklage umschriebenen übereinstimmen, hätte die Anklage die Einzelheiten der Tatdurchführung präziser darlegen müssen. Eine Tat, die nicht in der Anklage erfasst wurde, darf nicht zu einer Verurteilung führen.

Benötigen Sie eine Rechtsberatung?
Wir beraten und vertreten Privatpersonen und Unternehmen in Ermittlungsverfahren und Strafverfahren bundesweit und vor allen Gerichten. Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung und unserer Kompetenz in Sachen Strafverteidigung.