Bitcoin und die strafrechtliche Einziehung

Stoßen Strafverfolgungsbehörden im Rahmen Ihrer Ermittlungen auf ein Bitcoin-Guthaben des Beschuldigten, so wird – soweit der Täter die Verwendungsmöglichkeit des transferierten Bitcoin-Wertes in seiner Bitcoin-Adresse rechtswidrig erlangt hat – das Gericht in einem entsprechenden Urteil die (Wertersatz-) Einziehung anordnen.

Bevor auf Folgefragen eingegangen wird, soll zunächst eine Einordnung relevanter Begriffe erfolgen (I.). Sodann werden mögliche Konstellationen aufgezeigt, in denen Bitcoin Einziehungsobjekt werden können (II.). Im Anschluss werden etwaige Probleme im Rahmen der Einziehung und der Vollstreckung derselben eruiert (III.), sowie Probleme betreffend den Vermögensarrest besprochen (IV.) und schließlich ein Fazit (V.) dargestellt.

I. Relevante Begriffe

Sind Kryptowährungen zwar derzeit in aller Munde, ist – um auf der Ebene des Einziehungsrechtes fundierte Aussagen treffen zu können – eine korrekte Einordnung der relevanten Begriffe unumgänglich.

  1. Bitcoin-Guthaben

Das Bitcoin-Guthaben lässt sich nicht auf einen Bitcoin-Betrag reduzieren. Relevant sind ausschließlich einzeln vorhandene Bitcoin-Transaktionen, soweit sie noch nicht verwendet wurden. Dieser sogenannte unspent transaction output (kurz utxo) bildet also den transferierten Bitcoin-Wert in der Bitcoin Adresse ab.

  1. Wallet

Das Wallet ist als Aufbewahrungsort des digital dargestellten utxo zu verstehen. Es kann mehrere Bitcoin-Adressen zusammenfassen. Diese Adressen wiederrum sind mit einem öffentlichen und privaten Schlüssel gesichert.

  1. Blockchain

Die Blockchain bildet das Fundament der komplexen Technologie. Sie beruht auf eine Peer-to-Peer-Netzwerk und bezweckt die kryptographische Verkettung einzelner Datensätze (sog. Blocks), die durch die Miner berechnet werden. Damit stellt die Blockchain eine Kette sämtlicher gefundener Blöcke dar und gibt die Möglichkeit, alle Transaktionen nachzuvollziehen.

 II. Bitcoin als Einziehungsobjekt

Das im Jahre 2017 reformierte Einziehungsrecht unterscheidet zwischen dem durch oder für die Tat erlangtem Etwas (§ 73 Abs. 1 StGB), dem durch die Tat hervorgebrachtem Gegenstand (sog. Tatprodukt, § 74 Abs. 1 Alt. 1 StGB), den zur Tatbegehung oder -vorbereitung gebrauchten oder bestimmten Gegenständen (sog. Tatmittel, § 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB) und Gegenständen, auf die sich eine Straftat bezieht (sog. Tatobjekte, § 74 Abs. 2 StGB).

Die Praxisrelevanz von Bitcoin als Einziehungsobjekte erschöpft sich in den beiden erstgenannten Alternativen. So kann ein Täter für seine Tat in Bitcoin entlohnt werden, sodass dieser Lohn gem. § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB einzuziehen ist. Verkauft ein Betäubungsmittelhändler die  Betäubungsmittel gegen Zahlung von Bitcoin, sind diese durch die Tat erlangt. Fraglich ist jedoch, ob durch illegales Schürfen entstandene Bitcoin als durch die Tat erlangtes Etwas iSd § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB oder als durch die Tat hervorgebrachter Gegenstand iSd § 74 Abs. 1 Alt. 1 StGB und damit als Tatprodukt zu verstehen sind. Aus der Tat erlangt iSd § 73 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Täter in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes zufließen.[1] Somit muss geklärt werden, wie es sich bei illegal geschürften Bitcoin verhält. Unter den zugrundeliegenden strafrechtlichen Vorwurf der rechtswidrigen Datenveränderung gem. § 303a StGB wurde der Aufbau eines Bot-Netzwerkes durch unbemerkte Installation einer Software auf hunderttausenden Rechnern subsumiert. Ausschlaggebend war hierbei, dass der installierte Trojaner eine Funktionsbeeinträchtigung der Daten herbeiführt hatte, die eine Änderung des Informationsgehaltes oder Aussagewertes zur Folge hatte.[2] Durch die Nutzung der Rechenleistung der ‚angezapften‘ Computer konnten sodann Bitcoin geschürft werden. Nach höchstrichterlicher Feststellung flossen die Bitcoin dem Täter ohne weiteren Zwischenschritt, mithin unmittelbar durch die andauernde Tat, zu.[3]

III. Probleme im Rahmen der Einziehung und der Einziehungsvollstreckung

  1. Unmittelbarkeit des Vermögenszuflusses

Im Ergebnis stieß die obige BGH-Entscheidung in Betreff der Einziehung nach § 73 StGB auf wenig Kritik. Begriffliche Ungenauigkeiten lassen sich indes insbesondere angesichts der technischen Komplexität der Bitcoin-Generierung ausmachen: Die Schöpfung neuer Bitcoin kann technisch nicht unmittelbar aus der widerrechtlich in Anspruch genommenen Rechenleistung hergeleitet werden. Die Schüpfung neuer Bitcoin erfolgt richtigerweise erst durch das peer-to-peer-Netzwerk in der Blockchain.[4] Die vorangegangene Nutzung der Rechenleistung ist damit zwar conditio sine qua non, gleichwohl nicht unmittelbar für den Bitcoin-Zufluss verantwortlich.

  1. Bitcoin als Vermögenswert

Was für Befürworter der dezentralen Technologie selbstverständlicher Vermögenswert ist, ist für Investmentgrößen wie Warren Buffet und Charlie Munger reine Spekulation. Nichtsdestoweniger wird der Kryptowährung ein Marktwert beigemessen, womit auch ein realisierbarer Vermögenswert im Raum steht, für den der Einziehungsbetroffene materiell Berechtigter sein kann, sowie die faktische Verfügungsgewalt innehat.

  1. Einziehungsvollstreckung und Unmöglichkeit der Einziehung

Im Rahmen der Einziehungsvollstreckung ergeben sich weitere Probleme. Zum einen muss die Transaktion in Richtung Fiskus finanziert werden (a.). Darüber hinaus muss der private Schlüssel der Bitcoin-Adresse den Behörden nicht zwangsläufig bekannt sein, was die Folgefrage der Unmöglichkeit der Einziehung nach § 73c StGB (b.) sowie der Vollstreckung (c.) aufwirft.

          a. Transaktionskosten

Bei der Übermittlung von Bitcoin zwischen zwei Bitcoin-Adressen fallen Gebühren (sog. fees) an. Diese sind aus der überweisenden Wallet zu zahlen. Mithin muss dafür der unspent transacion output herhalten, sodass dieser nicht unverändert eingezogen werden kann.

          b.(Anfängliche) Unmöglichkeit der Einziehung wegen Unkenntnis des privaten Schlüssels?

Die Frage, ob die Einziehung unmöglich wird, weil und wenn im Zeitpunkt des Urteils der private Schlüssel den Behörden nicht bekannt ist, wurde vom BGH verneint: Zwar sei die Kenntnis des Schlüssels Voraussetzung der faktischen Verfügungsgewalt und die Mitwirkung des Angeklagten für die Vollstreckung gegebenenfalls erforderlich. Ob diese allerdings erfolge, sei bei der Entscheidung ungewiss, weshalb es für die Anordnungsvoraussetzungen darauf nicht ankommen könne.[5]

Indessen wird vertreten, dass die Einziehung von Bitcoin stets ab initio unmöglich ist.[6] Hierfür wird ausgeführt, das Erlangte sei die Verwendungsmöglichkeit der utxo. Diese Möglichkeit konkretisiere sich in der Kenntnis des öffentlichen und privaten Schlüssels. Selbst wenn die Behörden eine Niederschrift des privaten Schlüssels fänden, bliebe nicht auszuschließen, dass dieser dem Einziehungsbetroffenen weiterhin zugänglich ist. Somit sei eine Einziehung von Bitcoin-Werten stets von Anfang an unmöglich. Bitcoin unterlägen damit immer der Einziehung von Wertersatz gem. § 73c StGB.[7]

          c. Vollstreckung

Soweit die Wertersatzeinziehung angeordnet wurde, kann die Vollstreckung auch den Transfer von Bitcoin-Vermögen auf die Bitcoin-Adresse der Behörde zum Gegenstand haben. Da der Gesetzgeber im Rahmen der Vollstreckungsmaßnahmen einen Verweis auf § 888 ZPO in keiner der in Betracht kommenden Verweisungsnormen geregelt hat[8], kann im Falle der Unkenntnis des privaten Schlüssels und der Weigerung der Herausgabe auch kein Zwangsgeld und keine Zwangshaft angeordnet werden.

IV. Probleme im Rahmen der vorläufigen Sicherung

Vertritt man die Auffassung, dass bei Bitcoin stets eine Einziehung von Wertersatz in Betracht kommt, so richtet sich die vorläufige Sicherung im Ermittlungsverfahren nach § 111e StPO. Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen, kann gem. § 111e Abs. 1 StPO zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das Vermögen des Betroffenen angeordnet werden. Die Vollziehung richtet sich gem. § 111f Abs. 1 S. 2 StPO nach § 928 ZPO, der seinerseits unter anderem auf § 888 ZPO verweist. Im Falle des intendierten Vermögensarrestes in die vermuteten strafbar erlangten Bitcoin des Betroffenen konfligiert die Möglichkeit, die unvertretbare Handlung gem. § 888 ZPO zu erzwingen jedoch mit dem nemo-tenetur-Grundsatz, der als Ausfluss der Menschenwürde[9] ein überragendes Verfassungsgut darstellt. Denn teilte der Betroffene den privaten Schlüssel unter Zwang mit, gäbe er gleichzeitig zu, dass das zu arretierende Wallet ihm gehört, er jedenfalls Zugriff darauf hat. Daraus ließen sich Rückschlüsse auf eine Beteiligung an der Tat ziehen.[10]

V. Fazit

Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung und das zugrundeliegende gesetzgeberische Regelungskonzept stoßen mit fortschreitender Digitalisierung an ihre Grenzen. Lassen sich begriffliche Ungenauigkeiten in betreff der dogmatischen Herleitung der Unmittelbarkeit des Vermögenszuflusses noch höchstrichterlich marginalisieren, zeigen der Schlüsselmechanismus und die dezentrale Organisation des Bitcoin-Netzwerkes, dass es Räume gibt, die der staatlichen Einflussnahme in Teilen entzogen sind. Ob die Antwort darauf eine Ausdehnung bzw. Anpassung des Einziehungsrechtes und behördlicher Befugnisse zu Lasten der Beschuldigtenrechte sein wird oder man sich mit der Funktionsfähigkeit der Abschöpfungspflege im status quo zufrieden gibt, bleibt abzuwarten.

 

[1] BGH, Beschl. v. 27.7.2017 − 1 StR 412/16, NStZ 2018, 401 (404).

[2] BGH, NStZ 2018, 401 (403).

[3] BGH, NStZ 2018, 401 (405).

[4] So auch Safferling, NStZ 2018, 401 (406).

[5] BGH, NStZ 2018, 401 (405).

[6] Rettke, NZWiSt 2020, 45 (51).

[7] Rettke, NZWiSt 2020, 45 (51).

[8] Zu nennen sind hier insbesondere § 459g StPO iVm § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG und § 57 StVollstrO iVm § 1 Abs. 1 Nr. 3 EBAO iVm § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG.

[9] Dreier GG/Dreier GG Art. 1 Abs. 1 Rn. 139.

[10] In diese Richtung auch Rettke, NZWiSt 2020, 45 (52).

Benötigen Sie eine Rechtsberatung?
Wir beraten und vertreten Privatpersonen und Unternehmen in Ermittlungsverfahren und Strafverfahren bundesweit und vor allen Gerichten. Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung und unserer Kompetenz in Sachen Strafverteidigung.