Internal Investigations – Interne Ermittlungen

Unternehmensinterne Ermittlungen sind in den letzten Jahrzehnten in der Bundesrepublik zum integralen Baustein einer verantwortungsvollen Unternehmensführung avanciert. Neben den unternehmensinternen Zwecken der frühzeitigen Erkennung von Regelverstößen, des Entgegenwirkens und der Sanktionierung, tragen Internal Investigations zu einer positiven Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und in ökonomischen Teilsystemen bei, indem sie Lauterkeit demonstrieren. Ihnen ist daher ein multifunktionaler Charakter zu attestieren. Bevor das Augenmerk den Fragen gilt, wie Internal Investigations zustande kommen, welche Vorteile und Risiken sie mit sich bringen, beleuchtet der Beitrag die historische Entwicklung und liefert eine Begriffseinordnung. Schließlich wird aufgezeigt, welche Personen besonders geeignet erscheinen, Internal Investigations durchzuführen.

Historische Entwicklung

Der Ursprung der Internal Investigations kann in den vereinigten Staaten lokalisiert werden. Die mit der Durchsetzung des Wertpapierrechts betraute SEC (Securities and Exchange Commission) hielt im Zuge mehrerer Bilanzskandale verstärkt die involvierten Unternehmen dazu an, eigene Untersuchungen durchzuführen. Diese Tendenz zur Ermittlungsprivatisierung war staatlicherseits u.a. ökonomisch motiviert und wurde von den betroffenen Unternehmen angesichts der damit einhergehenden Eingriffsreduktion der SEC begrüßt.

Auf dem Feld der Kriminalsanktionen gegen juristische Personen kam den Internal Investigations im US-amerikanischen Strafjustizsystem immer mehr eine gewisse Entlastungsfunktion in puncto Entscheidung über die Anklageerhebung oder das Strafmaß zu, was freilich einen Anreiz zur Durchführung derselben darstellte.
Das Konzept etablierte sich in der Folge durch reziproke Prozesse: Die SEC gab den Unternehmen auf, externe Berater zu den Ermittlungen zu engagieren, auf deren Auswahl sie Einfluss nahm. Die Unternehmen wiederrum kamen den antizipierten Aufforderungen durch unaufgefordertes Einleiten interner Untersuchungen durch externe Berater zuvor.

Im Jahre 2001 konsolidierte der Leon-Meredith-Report erstmals prozedurale Richtlinien für unternehmensinterne Ermittlungen.

Durch den Einzug deutscher Unternehmen in den amerikanischen Markt, kamen diese in Berührung mit der SEC, dem dortigen Sanktionensystem und mithin auch mit Internal Investigations.

Damit war der Grundstein für die Etablierung unternehmensinterner Ermittlungen in Deutschland gelegt. Zwar gibt es kapitalmarktrechtliche Anknüpfungspunkte in den §§ 91 Abs. 2 AktG, 25a KWG oder 33 WpHG, die Mitteilungspflichten oder Frühwarnsysteme vorsehen und sich unter den Begriff des Risikomanagements verbuchen lassen. Eine genuine Pflicht, dafür externe Expertise einzubeziehen oder mit diesen Aufgaben zu betrauen, ergibt sich dadurch jedoch nicht.

Besonderer Aufmerksamkeit wurde den Internal Investigations durch den Siemens-Skandal zuteil, der die sanktionsbegrenzende Funktion interner Ermittlungen verdeutlichte. In der Folge rückte der Bereich Corporate Governance immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit und wird bis heute von europäischen Sekundärrechtsakten, wie bspw. der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Hinweisgeberschutz-RL), flankiert.

Begriffseinordnung

In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung haben sich in der Literatur diverse Begriffsbestimmungen herausgebildet, die von Eingrenzungen über Klassifizierungen bis zu historischen Herleitungen reichen. In der Sache können Internal Investigations als durch das Unternehmen selbst angestrengte Ermittlungsmaßnahmen bezeichnet werden, die unter Hinzuziehung neutraler, externer Fachkräfte geschehen und das Ziel verfolgen, einen Sachverhalt im Zusammenhang mit einem (vermeintlich) vorangegangenen Fehlverhalten umfassend aufzuklären. Mithin stellen sie das repressive Äquivalent zur Compliance dar.

Zustandekommen und wesentlicher Ablauf von Internal Investigations

In der Regel geht den Internal Investigations ein Hinweis eines Mitarbeiters voraus. Dieser wendet sich – je nach Präferenz und Meldesystem des Unternehmens – entweder unmittelbar an den Compliance Officer oder an eine Ombudsperson, die den Sachverhalt nach Absprache und Evaluation an den Compliance Officer weiterleitet. Der Compliance Officer initiiert sodann – soweit dies angesichts des Hinweises geboten erscheint – die Internal Investigations.

Bevor die internen Ermittler zur Tat schreiten, bedarf es einer Planung, die insbesondere Ziele, Maßnahmen und den Ablauf des Vorgehens formuliert.

Auf der Grundlage dieser Planung kann mit der Informationserhebung begonnen werden. Hierbei verschaffen sich die Ermittler einen umfassenden Überblick über die zu Verfügung stehenden Daten, die der Sicherung, Sichtung und Strukturierung bedürfen. In diesem Kontext ist zwecks Gewährleistung einer hohen Beweiskraft auf die Originalität der Dokumente zu achten. Mit fortschreitender Digitalisierung kommt den digitalen Daten erhöhte Bedeutung zu. Etwaigen damit einhergehenden Komplikationen ist durch fachkundige Datenextraktion hinreichend Tribut zu zollen.

Neben der Sichtung und Auswertung unternehmensinterner und -externer Daten treten die Personenbefragungen, die regelmäßig an die Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse anknüpfen und zunächst zur Kontextualisierung und Vertiefung derselben, später auch ohne spezifischen Bezug zu den gesichteten Dokumenten geführt werden.

Schließlich werden die erlangten Informationen in einem Investigation Report zusammengetragen, der die wesentlichen Ergebnisse der Ermittlungen resümiert.

Essentiell für eine spätere Verwertbarkeit der Ergebnisse ist eine Protokollierung der Investigationen und der ihr innewohnenden Maßnahmen.

Vorteile von Internal Investigations

Durch das frühzeitige Aufdecken von Fehlverhalten, kann den virulenten Missständen gezielt entgegengewirkt werden. Willkommene Folge ist zudem die Verhinderung weiterer Straftaten. Damit einhergehend kommt der Schadensreduktion in ökonomischer Hinsicht eine erhebliche Bedeutung zu. Die Geschäftsleitung erlangt ferner einen Informationsvorsprung, der sie zur Kooperation mit den Ermittlungsbehörden befähigt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Vermeidung von öffentlichkeitswirksamen Durchsuchungen und der damit verbundenen negativen Publizistik ein elementarer Faktor.

Risiken der Internal Investigations

Mit Internen Ermittlungen gehen Strafbarkeitsrisiken für die Ermittler einher, die allerdings bei professionellem, klarem und gewissenhaftem Auftreten allesamt beherrschbar sind. Angesprochen sind damit Amtsanmaßung (§ 132 StGB), Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) oder des Post- und Fernmeldegeheimnisses (§ 206 StGB), Nötigung (§ 240 StGB) und Parteiverrat (§ 356 StGB).

Eignung für Internal Investigations

Nach dem vorstehend Gesagten, lassen sich gewisse Kriterien skizzieren, die interne Ermittler optimalerweise erfüllen sollten.

Die Ermittler sollten zugelassene Rechtsanwälte sein, die über sehr gute Kenntnisse im Straf- und Strafprozessrecht (insbesondere mit praktischer Erfahrung), sowie im Arbeitsrecht, Datenschutzrecht und unternehmensspezifischen Rechtsbereichen verfügen. Begrüßenswert ist zudem eine Vertrautheit mit den Abläufen in Wirtschaftsunternehmen, mit unternehmensinternen Recherchen, deren Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen sowie mit kriminalistischen Methoden der Ermittlungsbehörden. Auch der Umgang mit Staatsanwaltschaft, Polizei und Zoll sollte kein Neuland für die interne Ermittlungsperson sein.

Die Ermittler sollten umfassend erreichbar sein und eine adäquate Vertretung bei ihrer Verhinderung gewährleisten können.

Eingedenk der Notwendigkeit der Personalgespräche und des Kontakts zur Geschäftsleitung sollte eine hohe soziale Kompetenz sowie Einfühlungsvermögen und psychologische Grundkenntnisse vorausgesetzt sein.

Es lässt sich konstatieren, dass Fachanwälte für Strafrecht hierfür besonders prädestiniert erscheinen.

Fazit

Internal Investigations haben – sorgfältig durchgeführt – einen großen Nutzen für das jeweilige Unternehmen und bilden auch in Deutschland einen festen Bestandteil einer adäquaten Corporate Governance. Zwar sind sie als eher repressives Instrument einzustufen. Gleichwohl bewirken sie die Beendigung von Fehlverhalten, beugen neuen Missständen vor und mindern Schadensereignisse.

 

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