Steuerrecht ist Informationsrecht. Wollen die Finanzbehörden innerhalb der ‚Krypto-Welt‘ eine gesetzmäßige Besteuerung veranschlagen, bedarf es grundlegender Informationen zu den Transaktionen und umfassender Kenntnis über die Funktionsweise der Währungen und der zugrundeliegenden Parameter, wie Blockchain und Wallet.
Grundsätzlich haben einzelne Einheiten virtueller Währungen und sonstiger Token sog. Wirtschaftsgutqualität. Das begründet das BMF damit, dass diese Einheiten die Möglichkeit vermitteln, die dem eigenen öffentlichen Schlüssel zugewiesenen vermögenswerten Vorteile einem anderen öffentlichen Schlüssel zuzuweisen. Da die Marktpreise über Börsen abrufbar seien, wären die Einheiten einer selbständigen Bewertung zugänglich.
Probleme tauchen insbesondere dann auf, wenn der Marktvorgang das Krypto-Ökosystem nicht verlässt, also z.B. bei einem Tausch von Bitcoin gegen Ethereum.
Das BMF geht selbst bei einem Tausch von virtuellen Währungen von einer Anschaffung bzw. Veräußerung aus, die der Besteuerung unterliegen kann, wenn ein Gewinn ermittelt wird. Der Veräußerungsgewinn stellt die Differenz zwischen Veräußerungserlös und den Anschaffungs- und Werbekosten dar. Der Veräußerungserlös wiederum berechnet sich anhand des Marktkurses der erlangten Einheiten am Tauschtag. Der Marktkurs der hingegebenen Einheiten stellt die Anschaffungskosten für die erlangten Einheiten dar. (Vgl. hierzu das Schreiben des BMF zu Einzelfragen zur Ertragssteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token, Rn. 54 ff.)
Liegt also zwischen Anschaffung und Veräußerung der Einheiten nicht mehr als ein Jahr, unterliegt der Veräußerungserlös gem. §§ 22 Nr. 2 , 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG iVm § 2 EStG der Einkommensteuer. Zu beachten ist zudem die Freigrenze des § 23 Abs. 3 S. 5 EstG, die aktuell auf 600 € pro Kalenderjahr lautet.
Werden Einheiten einer virtuellen Einheit oder sonstige Token wiederholt angekauft und verkauft oder getauscht, kann dieser Handel eine gewerbliche Tätigkeit darstellen. Zur Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung verweist das BMF in seinem Schreiben auf die Kriterien zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel.
Sind die jeweiligen Einheiten im Betriebsvermögen zu lokalisieren, sind Veräußerungserlöse als Betriebseinnahmen zu qualifizieren. Davon als Betriebsausgaben abzuziehen sind die Anschaffungskosten. Sollten diese nicht ermittelbar sein, könne auf die durchschnittlichen Anschaffungskosten abgestellt werden.
Dieses Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 10.05.2022 beinhaltet zunächst Weisungen, die zwar die Finanzverwaltung, nicht aber Gerichte oder den Steuerpflichtigen binden. Insbesondere bleibt abzuwarten, inwiefern die voranschreitende europäische Harmonisierung diesbezüglich neue Maßstäbe schaffen wird.
Zudem stößt die steuerinformationelle Durchdringung des Krypto-Subsystems angesichts der zumeist dürftigen Ressourcen der Verwaltung an ihre Grenzen.
Fraglich ist vor allem, ob die Besteuerung der generierten Gewinne und die Ermittlung der Grundlagen vernünftig erfolgen kann.
Bei Krypto-zu-Krypto-Transaktionen mit im Betriebsvermögen vorhandenen Kryptowerten ist dies angesichts umfangreicher Erklärungspflichten für Steuerpflichtige mit unternehmerischen Einkünften und der Möglichkeit von Außenprüfungen weniger problematisch.
In Bezug auf Privatvermögen ist fraglich, ob ausreichend ermittlungsfördernde Normen vorhanden und ob potentiell unrichtige Erklärungen mit einem hinreichenden Entdeckungsrisiko verbunden sind. Da es Außenprüfungen auf diesem Gebiet nur in Ausnahmefällen gibt, bleibt die Informationserhebung bei dritten in Gestalt eines Sammelauskunftsersuchens gem. § 93 Abs. 1a AO ein mögliches Instrument der Finanzverwaltung. Dabei kann bei zentralen Kryptobörsen Auskunft über die Walletinhaberschaft angefordert werden. Dadurch wird den Behörden ermöglicht, Public Keys natürlichen Personen zuzuordnen.
Bei dezentralen Kryptobörsen ist dies angesichts der Handelsdynamik nicht möglich. Hier beruht der Handel insbesondere auf eigenständigen Computerprogrammen auf der Blockchain, was die Identifikation des Steuerpflichtigen für die Behörden nahezu unmöglich macht.
In dieser Konstellation besteht damit kein hinreichendes Entdeckungsrisiko.
Indessen kann konstatiert werden, dass derzeit die weit überwiegende Mehrzahl der Transaktionen auf zentralen Börsen von statten geht.
Sollte sich diese Gewichtung zukünftig zugunsten dezentraler Börsen verschieben, könnte die steuerinformationelle Durchdringung des Kryptomarktes – besehen von der Warte der Verwaltungsressourcen – zu einem Problem mit verfassungsrechtlichem Einschlag werden. Sofern die Gleichheit der Belastung nicht gewährleistet wird, kann ein strukturelles Vollzugsdefizit die Folge sein. Insoweit erscheint angezeigt, dass sich der Gesetzgeber mittelfristig mit Alternativmodellen auseinandersetzt. Denkbar wäre bspw., den steuerlichen Zugriff erst im Zeitpunkt des Übergangs der Kryptowerte in die Geld- oder Realwirtschaft erfolgen zu lassen.
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