§ 266a StGB Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
§ 266a StGB spielt eine zentrale Rolle im Kampf gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit, indem er den Schutz des Beitragsaufkommens zur gesetzlichen Sozialversicherung in Deutschland sicherstellt. Neben strafrechtlichen Sanktionen hat auch die zivilrechtliche Haftung, insbesondere von Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften, eine wesentliche Bedeutung.
Klassische Begehungsweisen von Schwarzarbeit und ihre rechtlichen Konsequenzen
Die Bekämpfung von Schwarzarbeit ist ein zentrales Anliegen der deutschen Gesetzgebung, insbesondere in Bezug auf den § 266a StGB. Zu den klassischen Begehungsweisen gehören:
- Schwarzarbeit: Diese Form der Schwarzarbeit beinhaltet eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Auszahlung eines „Schwarzlohnes“, ohne dass Sozialabgaben oder Lohnsteuern abgeführt werden. Diese Praktik ist oft mit einem gemeldeten, beitragspflichtigen Arbeitsverhältnis verbunden, wobei viele Arbeitnehmer neben ihrem offiziellen Einkommen Schwarzarbeit leisten, oft während dem Bezug von Arbeitslosengeld oder ähnlichen Leistungen.
- Beschäftigung von Scheinselbstständigen: Diese Vorgehensweise findet statt, wenn in Wirklichkeit abhängige Beschäftigungsverhältnisse als selbstständige Tätigkeiten getarnt werden. Dies führt dazu, dass Arbeitgeber Sozialabgaben sparen und Arbeitnehmer falsche Beschäftigungsbedingungen haben.
- Mindestlohnverstöße: Arbeitgeber zahlen weniger als den gesetzlichen Mindestlohn, was sowohl den Arbeitnehmern als auch dem staatlichen Sozialsystem schadet.
Im Fokus der folgenden Betrachtung steht die klassische Schwarzarbeit in Verbindung mit Scheinrechnungen, da diese Problematik in der Praxis häufig anzutreffen ist. Diese Form der Schwarzarbeit basiert auf der beiderseitigen Vereinbarung der Beteiligten und zieht sowohl Vorteile für Arbeitgeber, die günstige Arbeitskräfte nutzen, als auch für Arbeitnehmer, die durch Schwarzlohn und unrechtmäßige Sozialleistungen ein höheres Nettoeinkommen erzielen.
Unternehmen, die häufig Schwarzarbeiter beschäftigen, nutzen in der Regel Scheinrechnungen. Diese Rechnungen werden verwendet, um die Einnahmen aus Schwarzarbeit zu verschleiern, indem sie als Betriebsausgaben für nicht erbrachte Subunternehmerleistungen verbucht werden. Die von diesen sogenannten Subunternehmern ausgestellten Scheinrechnungen sind nicht für tatsächlich erbrachte Leistungen, sondern dienen lediglich der Täuschung. Dies geschieht oft durch die Verwendung von gefälschten Belegen, um die Zahlung von Schwarzlohn zu verschleiern.
Es gibt in solchen Fällen die “Rechnungsverwender oder auch Rechnungskäufer“ also Unternehmen, welche Mitarbeiter schwarz bezahlen. Auf der Gegenseite sind die „Rechnungsverkäufer“, sogenannte Servicefirmen.
Servicegesellschaften und ihrer Rolle bei Schwarzarbeit
Servicegesellschaften, auch als Rechnungsschreiber oder Strohmannfirmen bezeichnet, fungieren als Infrastrukturgeber für den großflächigen Einsatz von Schwarzarbeitern. Diese Gesellschaften werden mit dem expliziten Ziel gegründet, den Anschein einer legalen und marktfähigen Firma zu erwecken. Sie verfügen über notwendige Anmeldungen und Nachweise und führen zumindest minimal Steuern und Sozialabgaben ab, um den Betreibern das Verkaufen von Rechnungen gegen Provision zu ermöglichen. Damit können Erwerber Bargeld generieren. Somit sind sie “auf dem Papier” nicht als reine “Briefkastenfirmen” zu erkennen.
Die charakteristischen Merkmale von Servicegesellschaften sind:
- Strohmänner: Gesellschafter und Geschäftsführer sind oft Strohmänner.
- Umsätze von 0 auf 100: Neue Gesellschaften melden innerhalb weniger Monate Umsätze in Millionenhöhe.
- Geringer Arbeitnehmerstamm oder plötzlich explodierender Stamm: Diese Umsätze werden entweder mit einem kleinen Arbeitnehmerstamm bzw. gar keinen Arbeitnehmern erzielt. Oder es sind innerhalb weniger Wochen über 100 Arbeitnehmer für die neue Firma tätig.
- Ungewöhnliche Kraftfahrzeuge: Es werden keine oder auffällig unscheinbare Fahrzeuge angemeldet.
- Niedrige Umsatzsteuervoranmeldungen: Diese werden entweder gar nicht oder in auffällig niedriger Höhe abgegeben.
- Schnelles Ende: Die Servicegesellschaft wird nach kurzer Zeit aufgegeben, oft verkauft an einen „Bestatter“, der die Abwicklung übernimmt bzw. ein reiner Strohmann, der nur einmal ohne Dolmetscher zum Notar erscheint und die Firma erwirbt.
Kurz bevor oder nachdem eine Gesellschaft inaktiv wird, wird eine neue Servicegesellschaft gegründet, die die bisherigen Aufträge und Kunden übernimmt. Dies dient dazu, die Verfolgung durch Steuerbehörden zu erschweren. Neben dem Hauptgeschäft bieten Servicegesellschaften auch die Möglichkeit, Arbeitnehmer anzumelden, um die tatsächlichen Arbeitgeber zu verschleiern, und stellen „Unbedenklichkeitspakte“ aus, die als Nachweis für eine saubere Geschäftspraktik gegenüber Dritten dienen.
Betreiber dieser Servicefirmen sind als Gehilfen der Rechnungsverwender zu klassifizieren.
Praktische Auswirkungen und rechtliche Konsequenzen
Da logischerweise meistens keine Buchhaltung (Stundenzettel) der Schwarzarbeit vorliegt werden die Lohnsummen geschätzt. In lohnintensiven Gewerben wie zum Beispiel das Baugewerbe, Sicherheitsgewerbe und Reinigungsgewerbe hat die Rechtsprechung festgelegt, dass zwei Drittel des Nettoumsatzes als Nettolohnsumme angesetzt werden können. Diese Berechnung stützt sich auf die Anwendung von branchenüblichen Lohnquoten.
Die strafrechtlichen Konsequenzen gemäß § 266a StGB sind erheblich. Bei festgestellten Verstößen ist eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe möglich. In besonders schweren Fällen, etwa wenn aus grobem Eigennutz gehandelt wurde, drohen Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Eine bewusste Manipulation von Lohnunterlagen zur Verschleierung von Schwarzarbeit wirkt sich dabei strafschärfend aus.
Der Rechnungsverwender kann ebenso beschuldigt werden, einen Betrug gegenüber der SOKA-Bau begangen zu haben. Gemäß den §§ 6, 18 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) ist der Bauunternehmer verpflichtet, für jeden Kalendermonat bis zum 15. des folgenden Monats den beitragspflichtigen Bruttolohn zu melden und die fälligen Beiträge für die GmbH bis zum 20. des nachfolgenden Monats abzuführen. Diese Pflicht erfüllt gegebenenfalls der Beschuldigte nicht ordnungsgemäß, indem er für die Monate zu niedrige Bruttolöhne anmeldet und somit auch zu niedrige Beiträge an die SOKA-Bau zahlt.
Genauso verhält es sich auch mit dem entsprechend nicht oder zu wenig erklärten Lohnhöhe gegenüber dem Finanzamt. Dies bedeutet ebenso eine Steuerhinterziehung hinsichtlich der Lohnsteuer.
Weitere Folgen für Unternehmen und Geschäftsleiter (Rechnungsverwender)
Eine Verurteilung nach § 266a StGB kann weitreichende Folgen haben. Neben der strafrechtlichen Sanktion kann es zu einer Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit (§ 35 GewO) kommen, ebenso wie der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen (§ 21 SchwarzArbG). Auch ein Berufsverbot nach § 70 StGB ist möglich, insbesondere wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verhängt wurde, was dazu führen kann, dass der verurteile Geschäftsführer für fünf Jahre nicht mehr als Geschäftsführer einer GmbH tätig sein darf.
Insgesamt zeigt sich, dass die Bekämpfung von Schwarzarbeit und die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus wirtschaftlichen und ethischen Gründen für Unternehmen von zentraler Bedeutung sind. Die Einhaltung von Vorschriften schützt nicht nur vor rechtlichen Konsequenzen, sondern fördert auch ein faires und transparentes Arbeitsumfeld.
Zusammenfassung der Folgen für Unternehmen und Geschäftsleiter (Rechnungsschreiber)
Durch das Überlassen von Scheinrechnungen unterstützt der Rechnungsschreiber den Haupttäter dabei, monatlich Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern zu sparen. Laut gängiger Rechtsprechung leistet der Rechnungsschreiber durch die Bereitstellung dieser Scheinrechnungen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Sozialversicherungsbetrug, wie unter anderem im Urteil des BGH vom 21. April 2020 (1 StR 486/19) festgestellt wurde. Die Schadenssummen bei einer Servicefirma sind zwar “nur” durch eine Beihilfehandlung begangen, üblicherweise verkaufen Servicefirmen aber nicht nur an ein Unternehmen die Rechnungen, so dass die Schadenssummen leicht in den zweistelligen Millionenbereich rutschen.
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